Knapp 100 Menschen beteiligten sich dieses Jahr an der antiautoritären 1. Mai-Versammlung am Weißenburger Platz. Wie im vergangenen Jahr luden der (Queer-)Feministische Streik München, das Solidarity Network Dachau und das Allgemeine Syndikat München der Basisgewerkschaft FAU dazu ein, Stimmen aus verschiedenen Betrieben an die Öffentlichkeit zu bringen.


Bei prächtigem Wetter und einem gut gelegenen Platz mit vielen Passant:innen ging es in Beiträgen aus den Bereichen Schule und Erziehung um prekarisierte Bildung und ungleiche Voraussetzungen für Kinder aus ärmeren Verhältnissen. Der Kapitalismus produziert und reproduziert soziale Ungleichheit. Die kommenden Jahre werden mit einer reaktionären neuen Regierung geprägt sein – von Umwälzungen gegen uns lohnabhängig Beschäftigte. Arbeitszeitregelungen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Mindestlohn – CDU/CSU laufen sich gerade warm bis zur offiziellen Regierungsübergabe.

Wenngleich eine Abschottungspolitik längst im Konsens angekommen ist, werden faschistische Kräfte weiter stärker und beabsichtigen, die kommende Regierung von rechts außen zu überholen. Dieses aktuelle gesellschaftliche Klima packte „Krafunkel“ (Folkpunk-Songwriting) in einige kritische Lieder.

Das Kapital in der Krise legt seinen Anstrich einer sozialen Komponente ohne größere eigene Skrupel und trotz zu geringer Widerstände dagegen Schritt für Schritt ab. Auf wen wir uns als Arbeiter:innen nicht verlassen können, wurde schon im Aufruf zum 1. Mai deutlich. Appelle der reformerischen Gewerkschaften verpuffen im Nichts, und mit dogmatischen Parolen von außen sowie einer antiquierten Analyse von Klasse werden wir auch in zehn Jahren unsere Kolleg:innen nicht erreichen.
Es kommt aber darauf an, sich jetzt aufzustellen – und nicht, wenn es zu spät ist. Das heißt, es müssen lokale Zusammenschlüsse entstehen – von denen, die zu den ersten Betroffenen der reaktionären Rückschritte gehören. Arbeit wird prekarisiert, prekarisierte Arbeit wird überwiegend von Migrant:innen geleistet, viele dieser Migrant:innen sind Frauen. Das Solidarity Network in Dachau soll genau in diese Kerbe schlagen, eine Brücke von den Arbeits- und Wohnverhältnissen zur eigenen Stellung in der Gesellschaft bauen – und zeigen, dass man auf der Basis gegenseitiger Hilfe der Betroffenen selbst Trennlinien überwinden kann. Das Netzwerk berichtet von eingetriebenem Lohn, Kartentausch mit Geflüchteten und einer wöchentlichen Küche für alle als Anlaufpunkt.

Voll einbezogen in Entscheidungen zu sein und komplett selbst über den Fortgang von Auseinandersetzungen zu bestimmen, gehört zum Grundsatz, den diese Kundgebung über den 1. Mai hinaus vermitteln möchte. Ebenso verhält es sich mit der Tatsache, dass Patriarchat und Kapitalismus einander bedingen. Ohne unbezahlte Care-Arbeit – das Versorgen von Kindern, Angehörigen und die vorgegebene Rollenverteilung – wäre dieses System auch ohne ökonomische Krise nicht aufrechtzuerhalten. Das wurde im zentralen Beitrag des (Queer-)Feministischen Streiks deutlich dargelegt.

Ergänzend zu den Beiträgen aus der Lohnarbeit im sozialen Bereich darf die klassische Produktion nicht vergessen werden. Es wurde ein Grußwort eines Arbeiters bei VW verlesen, der betonte, dass man statt über Gewerkschaftsführungen zu klagen, die uns wieder und immer wieder beschwichtigen, dass bei den letzten Tarifverhandlungen halt einfach nicht mehr drin war, unser Repertoire erweitern und mit gewissen Spielregeln brechen muss. Dass wir uns eigene Regeln aufstellen und den Bossen diese de facto aufzwingen. Und dass man einen globalen Kapitalismus nur international bekämpfen kann, um die Kontrolle über die Mittel zur Produktion und Verteilung zu erlangen.

Sehr erfreulich war, dass noch mehr als bisher Passant:innen jeglichen Alters stehen blieben, der Kundgebung längere Zeit zuhörten und den Beiträgen applaudierten. Auch der Kollege eines Dienstleisters der Stadt München darf hier erwähnt werden, der mit einem Fahrzeug die Blumen am Weißenburger Platz gießen sollte. Er machte für die Zeit der Versammlung eine solidarische Pause und bekundete seine Sympathie mit erhobenem Daumen.

Wir müssen zusammenkommen. Es ist notwendig, eine Sprache zu sprechen, die unsere Kolleg:innen und Nachbar:innen nur allzu gut verstehen. Wir können nicht auf Reformen oder eine radikale Führung vertrauen – wir müssen uns selbst helfen.

Solidarisch, selbstorganisiert, unnachgiebig. Beginnen wir damit jetzt!

1. Mai-Versammlung wächst weiter